Auf dem Weg zum Annapurna Circuit
Am 9. April 2014 fliegen meine Kletterfreundin Jana und ich nach Nepal. Anlass der Reise ist die Hochzeit von Janas Freundin Maike, die 2009 nach Kathmandu auswanderte. Wir verbringen eine Woche in Kathmandu und machen uns anschließend auf den Weg auf den Annapurna Circuit, einer dreiwöchigen Rundwanderung um die Annapurna-Gebirgskette im Himalaya. Auszüge aus meinem Notizbuch, das mich auf der Tour begleitet, vermitteln einen Eindruck von dem Erlebten.
Dienstag, 15.04.20014 Aufbruch von Kathmandu nach Pokhara
Wir packen für eine dreiwöchige Tour, den Annapurna Circuit, der uns auf eine Höhe bis 5.500 Meter führen soll. Ich packe neben meinem dicken Daunenschlafsack einen Fleecepulli, eine Gletscherbrille, eine Hardshelljacke und ein paar Merinoklamotten in meinen Rucksack. Außerdem mit dabei: Ein Trinkbeutel mit einem Volumen von drei Litern, ein UV-Stab zum Desinfizieren des Wassers, meine Kamera, ein paar Müsliriegel und etwas zum Schreiben. Wir übernachten in bewirtschafteten Hütten. Acht Kilo Gepäck, das sollte reichen.
Die Fahrt nach Pokhara mit dem lokalen Bus dauert fünf Stunden. Es ist ein bunter Hippiebus, aus dem Musik dröhnt. Überall hängen bunte Poster, auf der Beifahrerseite liegt eine Matratze, auf der eine komplette Familie sitzt. Zwei kleine Mädchen mit geflochtenen Zöpfen in roten Kleidchen starren uns an. Es ist heiß. Nach etwa drei Stunden Fahrt halten wir an einem kleinen Restaurant an. Es gibt gebratene Nudeln aus einer abgeschnittenen PET-Flasche. Es sind einige Kleinkinder im Bus und keines von ihnen schreit, obwohl die Fahrt jenseits der Komfortzone liegt: Es ist eng, heiß, staubig, stickig, holprig,… In Pokhara laufen wir zur Noble Inn Lodge. Eine Mitarbeiterin aus unserem Hostel in Kathmandu buchte uns dort ein. Wir stehen vor einem riesigen Anwesen mit einer Wiese, die künstlich bewässert wird. Wir haben einen Fernseher im Zimmer, es fließt heißes Wasser aus der Dusche. Ich komme mir komisch vor, dort zu übernachten. Mitten in Nepal, im teuersten Hotel Pokharas, das gerademal 15$ pro Nacht kostet, was allerdings mehr ist, als die Menschen hier im Durchschnitt pro Monat verdienen. Wir steuern ein kleines Restaurant an und essen vegetarische Momos, gefüllte Teigtaschen, mit Nudelsuppe. Eine Gruppe junger Koreaner will uns mit Reisschnaps abfüllen. Wir lassen uns halbherzig darauf ein. Jana und ich schauen uns im Hotel eine indische Soap im Fernsehen an und verstehen: nichts.
Mittwoch, 16.04.2014 Rundgang durch Pokhara
Wir wachen erst mittags auf. Glaube, mein Gehirn muss erst einmal alle neu gewonnen Eindrücke verarbeiten und das kostet Energie. Wir sind ständig müde. Gegenüber der Restaurants in dem wir am Vortag waren, frühstücken wir Nudeln mit Soße uns spazieren anschließend durch Pokhara. Eine Stadt am See voller bunter Boote. Wir spazieren durch den Park am Ufer entlang, die Reste eines Riesenrades stehen als Relikte eines Jahrmarkts mitten in der Wiese. Drei Hunde in braun, schwarz und weiß jagen einem Ball hinterher. Ein paar Meter weiter feiern Leute eine Hochzeit, auf dem Gelände stehen neben goldenen Buddhas auch goldene Kühe. Das Seeufer ist touristisch. Wir werden alle paar Meter angequatscht, ob wir Armbänder oder anderen Schnickschnack kaufen möchten. Irgendwann finden wir eine Touristinfo, wo wir uns die Trekking Permit und die Nationalparkpässe für den Annapurna Circuit kaufen.
Donnerstag, 17.04.2014 Mit dem Bus von Pokhara nach Besisahar
Um sieben klingelt der Wecker. Um halb acht stehen wir an der Tourist Bus Station, doch unser Bus ist weg. Jeder gibt uns andere Informationen. Wir hätten um halb sieben da sein müssen, erklärt ein alter Mann an der Kasse. Na gut. Wir nehmen den lokalen Bus bis Dumre, der von innen mit Elefantenpostern und bunten Bommeln geschmückt ist. Viel zu viele Leute steigen ein, klettern auf das Dach oder hängen sich von außen dran. Wir haben Glück, dass wir zwei Plätze ergattern. Musik dröhnt aus den Boxen. Ich genieße die Fahrt, schaue aus dem Fenster uns bin fasziniert von der Landschaft. Über eine holprige Schotterpiste gelangen wir nach Dumre. Ab hier steigen wir in einen Minibus um, es wird noch lauter, noch enger, unsere Rucksäcke werden aufs Dach geschnallt. Ein Mann spuckt etwa alle drei Minuten aus dem Fenster, ab und an verkauft jemand Gurken oder Chips. Wir holpern fünf Stunden über die Landstraße. Es geht beschwerlich mit ca. 15km/h über Passstraßen den Berg hinauf. Es ist diesig, leider sind noch immer keine Berge in Sicht. Wir erreichen Besisahar gegen zwei Uhr mittags. Besisahar ist der Startpunkt des Annapurna Circuit. Wir landen in der Everest Lodge im Norden der Stadt. Die Duschwanne ist gleichzeitig auch die Toilette – es stinkt unfassbar nach Urin. Das Licht flackert. Ich verbringe einen Teil des Abends auf der Dachterrasse. „Ehe wir fremde Länder besuchen, sollten wir uns überzeugen, dass jedes besondere Eigenschaften hat. Nepal soll dich verändern, nicht du Nepal.“ An Janas Sätze muss ich ständig denken. Nepal gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, was sich in den Städten in einem völligen Chaos manifestiert. Akustische und visuelle Reize strömen tausendfach auf mich ein. Ich freue mich auf die Berge, auf mehr Natur.
Freitag, 18.04.2018 Jana ist krank. Noch ein Tag in Besisahar.
Jana ist krank. Sie hat Fieber und Gliederschmerzen. Wir beschließen, noch einen Tag länger in Besisahar zu bleiben und ziehen in eine andere Unterkunft, die Mongolian Lodge um. Gegen Mittag fühlt sich Jana besser. Wir gehen spazieren. Mais- und Reisterrassen liegen vor uns. Frauen waschen Kleider im Fluss, Kinder begrüßen uns lauthals mit „Namasté“. Die Tiefebene ist unglaublich grün. Rappeldürre Rinder, denen die Beckenknochen hervorstehen, ziehen gemütlich an uns vorbei. Ein Mann packt ein quietschendes Ferkel in einen Sack. Überall liegen Straßenhunde in der Sonne. Zwei Hängebrücken verbinden beide Talseiten. Jana macht ein Nickerchen am Fluss. Ich laufe bis zur zweiten Brücke kurz vor dem Ort Bhulbhule und treffe Jana anschließend wieder in Besisahar. Eine steile Treppe führt zurück ins Nordende der Stadt. Mir rinnt der Schweiß den Rücken hinunter, es ist schwül. Jana ist nach wie vor schwach auf den Beinen. Wir überlegen, ob ich morgen schon mal alleine loslaufe und sie mit einem Jeep nachkommt. Den ersten Teil des Weges kann man bis Chame im Jeep zurücklegen.
Im Hostel treffen wir auf Lena und Hannes. Sie haben einen großen Teil des Treks bewandert, mussten aber kurz vor Manang umkehren. Lena wurde zweimal höhenkrank mit Erbrechen und starkem Fieber. Jana und ich beschließen, dass ich morgen die erste Etappe des Annapurna Circuit bis nach Bahundanda laufe. Jana fährt ein Stück mit dem lokalen Bus. Wir treffen uns abends in der ersten Unterkunft, der Mountain Lodge. Wir verbringen den Abend mit Lena und Hannes im Restaurant des Hotels und fallen über ein westliches Gericht her: Burger mit Pommes, zum Nachtisch Apfelkuchen und dazu Zitronentee.